Der Digital Markets Act ist kein weiterer EU-Paragraf für die Aktenablage, sondern ein Paukenschlag in Richtung der großen Tech-Konzerne. Apple trifft es dabei besonders hart, weil das Unternehmen seit Jahren auf ein geschlossenes System setzt, das kaum Raum für externe Einflüsse lässt. 

Nun zwingt Brüssel den iPhone-Konzern dazu, seine Mauern zu öffnen. Die Folgen reichen weit über den App Store hinaus, sie betreffen das gesamte Ökosystem aus Software, Hardware und Zahlungsstrukturen.

Warum die EU den Druck erhöht

Die EU hat sich vorgenommen, die Machtverhältnisse in der digitalen Welt zu verschieben. Der Digital Markets Act, kurz DMA, soll verhindern, dass einzelne Unternehmen ihre Plattformen so abschotten, dass kleinere Anbieter kaum noch eine Chance haben. Apple gilt dabei als Paradebeispiel eines sogenannten Gatekeepers, also eines Unternehmens, das über seine Infrastruktur den Zugang zu digitalen Märkten kontrolliert.

Dass sich der Konzern nun an europäische Vorgaben anpassen muss, ist keine Ausnahmeerscheinung, sondern ein ganz normaler Vorgang in einer globalisierten Wirtschaft. Auch in anderen Branchen ist es üblich, nationale Gesetze zu respektieren und Geschäftsmodelle entsprechend zu verändern. Besonders deutlich wird das im Glücksspielbereich, wo internationale Anbieter ihre Plattformen regelmäßig an lokale Vorschriften anpassen, von Zahlungssystemen bis hin zu Spielerschutzmaßnahmen. Dort geht es um Verbraucherschutz, Transparenz, wo die Plattformen eigentlich keine Limits für Spieler haben wollen. Im Technologiebereich ist das Ziel ein anderes, nämlich faire Märkte und gleiche Chancen für alle.

Dass Apple nun seine Systeme umbauen muss, ist also Ausdruck eines größeren Prinzips. Regulierung ist kein Gegner der Innovation, aber dafür oft ihr Auslöser. Die EU zwingt Apple dazu, neue Wege zu finden, wie sich Kontrolle und Offenheit vereinen lassen, ein Spagat, der die kommenden Jahre prägen dürfte.

Neue Freiheiten und alte Grenzen

Im Zentrum der Änderungen steht der App Store, das Herzstück von Apples digitalem Geschäftsmodell. Künftig dürfen Entwickler in der EU Nutzer auf externe Zahlungsoptionen leiten, ohne dafür abgestraft zu werden. Die sogenannten Anti-Steering-Regeln, die bisher genau das verboten, sind Geschichte. Auch alternative App-Stores werden erlaubt, sofern sie Apples Sicherheitsstandards erfüllen und von der EU zugelassen sind.

Allerdings bleibt das Ganze auf Europa beschränkt. In den USA, Asien oder Australien bleibt alles beim Alten. Apple erfüllt damit zwar die Buchstaben des Gesetzes, aber eben nur dort, wo es muss. Diese doppelte Realität, offene Systeme in der EU, geschlossene anderswo, dürfte noch für Diskussionen sorgen.

Apple selbst äußert sich kritisch, so warnt das Unternehmen vor Betrugsrisiken, vor der Gefahr von Schadsoftware und davor, dass Nutzer den Überblick verlieren könnten, wenn sie außerhalb des bekannten Stores einkaufen. Doch hinter dieser Sorge steckt auch die Angst vor Kontrollverlust. Denn mit jedem externen Zahlungsdienst schwindet ein Stück der Abhängigkeit, die Apple bislang so profitabel gemacht hat.

Neues Preismodell, neue Machtverhältnisse

Das zweite große Reformpaket betrifft die Gebühren. Bislang kassierte Apple bis zu 30 Prozent Provision auf App-Umsätze, eine Zahl, die viele Entwickler seit Jahren als überzogen empfanden. Ab 2026 gilt in der EU ein neues, zweistufiges Modell. Wer auf viele App-Store-Funktionen verzichtet, zahlt künftig nur noch 5 Prozent. Wer den vollen Service nutzen will, etwa bei Werbung oder Support, landet bei 13 Prozent, kleine Anbieter bei 10 Prozent.

Zusätzlich gibt es die sogenannte Core Technology Commission, eine Art Grundgebühr für die Nutzung zentraler Apple-Technologien. Auch eine einmalige Gebühr für die Erstakquise neuer Kunden kann anfallen. Damit liegt die maximale Abgabe im EU-Raum bei rund 20 Prozent, deutlich weniger als bisher, aber immer noch weit entfernt von echter Gebührenfreiheit. Für Entwickler ist das ein gemischtes Signal, denn einerseits wird die finanzielle Last kleiner, andererseits wächst der administrative Aufwand. Vor allem unabhängige App-Anbieter müssen abwägen, ob sie lieber weniger zahlen oder auf Komfortfunktionen verzichten.

Welche technischen Anpassungen Apple vornehmen muss

Die regulatorischen Änderungen greifen tief in die Technik ein. iOS muss künftig alternative Browser-Engines unterstützen, also nicht mehr nur WebKit. Auch externe App-Stores erfordern neue Schnittstellen und Berechtigungsstrukturen. Apple reagiert darauf mit einer separaten EU-Version seines Systems, die ab 2026 flächendeckend ausgerollt wird.

Technisch ist das ein Mammutprojekt, weil es zentrale Sicherheitsmechanismen aufweicht, ohne das System komplett zu öffnen. In anderen Märkten bleibt Apple dagegen beim gewohnten Kurs. Das zeigt, wie stark das Unternehmen seine Kontrolle behalten will, auch wenn es sich offiziell anpasst.

Für Nutzer in der EU wird der App-Kauf künftig vielfältiger und Zahlungen können über externe Anbieter, Bank-Apps oder weiterhin über Apple Pay laufen. Das schafft Wettbewerb und könnte langfristig die Preise drücken.

Doch die neu gewonnene Freiheit hat ihren Preis. Wer außerhalb des Apple-Kosmos bezahlt, trägt auch ein höheres Risiko, etwa bei Rückbuchungen oder Betrugsfällen. Zudem könnten Komfortfunktionen wie das automatische Abo-Management nur noch eingeschränkt funktionieren.

Weniger Abhängigkeit, mehr Verantwortung

Für Entwickler öffnen sich neue Türen, aber nicht ohne Stolpersteine. Die Möglichkeit, eigene Zahlungswege zu nutzen, kann die Marge deutlich erhöhen. Gleichzeitig verlieren sie Teile der Infrastruktur, die Apple bislang bereitstellte, von der Nutzeranalyse bis zum Support.

Viele kleinere Studios werden sich fragen, ob sie den zusätzlichen Aufwand stemmen können. Große Publisher hingegen könnten von den Änderungen profitieren, weil sie ihre eigenen Vertriebssysteme etablieren können. Der Markt wird also differenzierter, vielleicht auch unübersichtlicher. Der Einfluss von Apple schrumpft, zumindest in Europa. Entwickler müssen nun stärker selbst entscheiden, welche Balance zwischen Freiheit und Bequemlichkeit sie eingehen wollen.

Apple unter Zugzwang

Apples Reaktion auf die EU-Vorgaben fällt typisch aus, so beugt man sich offiziell der Regulierung, intern aber sucht man nach Wegen, das eigene Geschäftsmodell zu schützen. Der Konzern betont, man handle im Sinne der Nutzer, um Sicherheit und Datenschutz zu gewährleisten. Kritiker sehen darin vor allem den Versuch, das eigene Monopol so weit wie möglich zu retten.

Gleichzeitig nutzt Apple die Debatte, um sich als verantwortungsbewusster Anbieter zu positionieren. In einer Zeit, in der Datenskandale und Sicherheitsprobleme Schlagzeilen machen, ist das Image des „sicheren iPhones“ schließlich ein zentraler Teil der Markenidentität.

Ein System im Wandel

Mit dem DMA verliert Apple ein Stück seiner absoluten Kontrolle, aber gewinnt die Chance auf ein offenes, vielleicht sogar innovatives Europa-Geschäft. Der Wettbewerb dürfte anziehen, Entwickler werden mutiger experimentieren und Nutzer bekommen mehr Einfluss auf ihre digitale Umgebung.

Langfristig könnte der Druck aus der EU auch international Wirkung zeigen. Wenn sich das Modell bewährt, könnte es Nachahmer finden, sei es in Großbritannien, Kanada oder Australien. Für Apple wäre das ein Signal, dass Regulierung nicht zwangsläufig Zerstörung bedeutet, sondern Anpassung.

Das geschlossene System, das jahrzehntelang als Stärke galt, könnte sich in Europa zu einem flexibleren, anpassungsfähigen Gebilde wandeln. Vielleicht liegt genau darin der Reiz, und zwar dass selbst ein Gigant wie Apple lernen muss, Kompromisse einzugehen, um relevant zu bleiben.

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